Mit jeder Kurve öffneten sich die dunklen Taleinschnitte mehr und mehr und zunehmend sahen wir das Glitzern der Sonnenstrahlen an den schneebedeckten Bergspitzen. Nach Stunden auf holprigen Wegen öffnete sich oberhalb 4000 m endlich der lang ersehnte Blick auf das tibetischen Hochland. Vor uns erstreckte sich über hunderte Kilometer eine einzigartige Landschaft von kargen und oft bunten Bergkegeln, steinigen Ebenen und Flussläufen. Fasziniert wanderten die Augen entlang des unendlich scheinenden sattblauen Himmels und vermittelten das Gefühl, der Erde enthoben zu sein. Die Größe dieser Bergwelt ist für einen Menschen nur schwer vorstellbar und selbst Fotos können nur einen Bruchteil dessen ausdrücken, was wir beim Rundblick auf einer Höhe von über 5000 m empfunden haben.
Die Reise folgte der klassischen Route über Tingri und Shigatse bis zu dem auf 3000 m gelegenem Lhasa, welches letztendlich Ziel jedes Pilgers und Touristen ist. Vorbei an Bergen und Seen, an Dörfern und Menschen beobachteten wir voller Achtung das entbehrungsreiche Leben der tibetischen Nomaden und Bauern. Wie sollte man nur einen winzigen Teil der Geheimnisse Tibets verstehen, ohne über die Motivation der Menschen nachzudenken und deren Weltbild zu erforschen. Noch nie hatten wir eine solch fremde Kultur gesehen, dessen tiefe Verbeugung vor der Religion an jedem Auto, Haus oder Tempel zu sehen war. Wehende Gebetsfahnen über den Häusern, Gebetsmühlen an den Mauerwänden, symbolische Stupas und rot gefärbte Tempelgebäude mit Dächern aus strahlendem Gold. Die Einzigartigkeit dieser Umwelt verlieh der Umgebung etwas Unerklärliches und Sinnbildhaftes. Obwohl jede Bemühung des Begreifens sinnlos war, verankerte sich die Erinnerung an das Gesehene im tiefen Sein.
IMPRESSION